top of page
Aktuelle Einträge
Empfohlene Einträge
Suche

Wenn Luisa grün leuchtet …

  • achimkofler
  • 4. Mai 2018
  • 4 Min. Lesezeit

… ist sie gerade mit Wafern beschäftigt. Gelb (Pause) oder Rot (Unterbrechung) sieht man bei ihr selten, denn als kollaborativer Roboter hat sie bei Infineon viel zu tun.

Luisa ist die Ruhe in Person. Wenn sie sich streckt, um nach der Box mit den Wafern zu greifen, wirkt es wie in Zeitlupe. Der Kollege rechts von ihr – Robert – arbeitet auch nicht schneller. „Sollen sie auch gar nicht“, sagt Bianca Ganser, die für die Automatisierung bei Infineon Austria in Villach zuständig ist, „sonst gäbe es Verwirbelungen im Reinraum.“

Robert und Luisa sind zwei kollaborative Roboter. Oder besser gesagt: Das sind die Namen der austauschbaren Roboterarme, die auf einem kompakten Fahrzeug montiert wurden. „Eigentlich haben sie eine technische Bezeichnung mit vielen Zahlen, aber die Mitarbeiter haben ihnen zusätzlich menschliche Namen gegeben“, erzählt Ganser. So wurden die Roboter, die vor acht Jahren ihre Arbeit bei Infineon begonnen haben, als neue Kollegen willkommen geheißen. Und man kann sie durchaus als Kollegen bezeichnen. Sie arbeiten nicht hinter einem Schutzzaun oder einem abgegrenzten Arbeitsbereich, sondern mittendrin im Geschehen: Nur wenige Meter entfernt sitzt ein Mitarbeiter an einem PC, während die beiden in gewohnt ruhiger Manier ihre Arbeit erledigen. Etwa drei Meter über ihnen, an der Decke des Reinraumes, ist ebenfalls ein Schienensystem angebracht. An ihm düsen weiße sogenannte Shuttles hin und her. In ihnen werden die Werkstücke von A nach B gebracht – und das oft unzählige Male. Richard Lippe, Leiter der Automatisierung bei Infineon Austria, erklärt: „Die Halbleiterfertigung ist sehr komplex. Es sind bis zu 400 Arbeitsschritte nötig, bis ein Wafer fertig ist.“ Hier kommen die kollaborativen Roboter ins Spiel: sie übernehmen die Be- und Entladung von Wafern aus den Boxen in die Produktionsanlagen. Eine monotone Arbeit, bei der keine Fehler gemacht werden dürfen. „Unsere Mitarbeiter sind mittlerweile froh, dass sie das nicht mehr selbst machen müssen“, erzählt Ganser.

Von Begeisterung bis Skepsis

Zu Beginn habe es aber auch Kommunikationsbedarf gegeben. „Die Bandbreite der Reaktionen reichte damals von Begeisterung bis Skepsis. Ein Teil der Mitarbeiter musste sich erst mit dem Gedanken anfreunden, künftig mit kollaborativen Robotern zusammenzuarbeiten.“

Das habe sich bald gelegt, „vor allem durch Schulungen und Kommunikation. Wir haben die Kollegen auch immer wieder gefragt, wie es ihnen bei der Arbeit mit den Robotern geht und was noch verbessert werden kann. Wir tauschen uns ständig aus und können die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine optimieren.“

Schulungen stehen auch heute noch laufend auf dem Programm. Meist wird dabei in Kleinstgruppen ge-arbeitet. „Es geht darum, einen Grundstock an Wissen zu vermitteln, damit einfache Störfälle schnell behoben werden können“, so Ganser. Dabei sei es wichtig, sich nicht in Begriffen der Hochtechnologie zu verlieren, sondern Komplexes einfach darzustellen. Die Mitarbeiter, die mit den Robotern zusammenarbeiten, sind keine IT- oder Mechatronik-Spezialisten, sondern kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen: vom Handwerk übers Büro bis hin zu Kulturwissenschaften und aus Pflegeberufen. Und für sie alle gilt dieselbe Regel: eine Systemunterbrechung muss so schnell als möglich behoben werden, damit die Produktion weiterlaufen kann.

„Im Normallfall zeigt der Roboter auf seinem Display an, was getan werden muss. Ist das Problem komplexer, müssen unsere Mitarbeiter in der Lage sein, dem Techniker zu schildern, wie es zu der Störung gekommen ist und wo das Problem liegen könnte“, erklärt Bianca Ganser. Die Zusammenarbeit mit kollaborativen Robotern führt also nicht nur dazu, dass monotone Aufgaben an die Maschine delegiert werden können, sondern auch zu komplexeren Aufgaben für den Menschen. Da es auf dem Arbeitsmarkt nicht allzu viele solcher Fachkräfte gibt, setzt Infineon auf die Lehrlingsausbildung: aktuell gibt es 49 Lehrlinge im Unternehmen. Sie werden ideal auf die Arbeitsanforderungen der Zukunft vorbereitet: eine Doppellehre Mechatronik/Elektrotechnik wird mit Robotik-Schulungen – und oft auch mit dem Matura-Abschluss – verbunden.

Digitale Herausforderung

Und damit sind wir auch beim Schlüsselthema: Um als Mensch weiterhin „konkurrenzfähig“ gegenüber einer Maschine zu bleiben, wird es künftig auf das Know-how ankommen. Klassische Fabriksarbeiter wird es nur noch wenige geben, die Fließbandarbeit wird fast vollständig den Maschinen überlassen werden. Aber durch die Digitalisierung werden neue Arbeitsplätze geschaffen werden, wie beispielsweise in den Bereichen Sensorik, Mechatronik, Datenübertragung oder Netzwerktechnik. Anstatt selbst an den Maschinen zu arbeiten, werden die Industriearbeiter der Zukunft dafür sorgen müssen, dass Maschinen funktionieren und die Qualität eingehalten wird – und dafür werden hochqualifizierte Facharbeiter benötigt. Qualifikation ist also der Weg zum Erfolg. Klingt gut, ist vielen aber zu wenig greifbar als Antwort auf Zukunftsfragen. Wie die Zukunft der Arbeit aussehen wird, das wissen selbst Experten nicht. Unsicherheit ist die Folge, und diese bemerkt man vor allem bei den Klein- und Mittelunternehmen sowie vielen Arbeitnehmern. Die Stimmung ist vergleichbar mit jener nach einer Unwetterwarnung: man weiß, etwas ist im Anmarsch. Aber nicht, wie groß es wird.

Experten werden nicht müde, die digitalen Chancen zu betonen. Von mehr Flexibilität, geringeren Kosten und zufriedeneren Kunden ist die Rede. Das sehen auch viele Kärntner Unternehmen so, die sich bereits intensiv mit dem Thema beschäftigen. Und das sind einige: 500 österreichische Klein- und Mittelunternehmen wurden vom Wirtschaftsprüfungsinstitut Ernst & Young befragt, wie weit sie bei der Digitalisierung sind. Dabei gaben 56 Prozent an, dass digitale Technologien für ihre Arbeit eine mittelgroße bis große Rolle spielen.

Andere wiederum wissen, was zu tun wäre, stehen aber vor Hindernissen bei der Umsetzung. So haben 33 Prozent angegeben, dass die Finanzierung sie aufhält. Bei weiteren 33 Prozent scheitert es an der Ausbildung der Mitarbeiter – und bei rund einem Viertel fehlen die Methoden für die Digitalisierung. Das ist aber nicht das Einzige, das fehlt: auch bei der Infrastruktur gibt es noch einiges zu tun. So stellt uns der Digitalisierungsindex der EU-Kommission ein wenig berauschendes Zeugnis aus: beim Breitbandausbau liegt Österreich im EU-Vergleich auf Rang 15 (von 27 Ländern) – hinter Litauen oder Malta und weit weg vom Spitzenreiter, den Niederlanden. Es gibt also nicht nur bei den Betrieben noch einiges zu tun.

Text: Angelika Dobernig


 
 
 

Comments


Folgen Sie uns!
Schlagwörter
Archiv
  • Facebook Basic Square
  • Twitter Basic Square
  • Google+ Basic Square
bottom of page