Manche Ernährungsempfehlungen grenzen an vorsätzliche Körperverletzung
- achimkofler
- 2. Mai 2018
- 3 Min. Lesezeit
Um zu beweisen, dass Low-Carb-Ernährung ein Unsinn ist, hat die bekannte Ernährungsexpertin und diplomierte Diätologin Daniela Pfeifer vor Jahren einen Selbstversuch gestartet. Das Ergebnis hat sie komplett vom Gegenteil überzeugt und das Fundament ihrer Arbeit in ihren Grundfesten erschüttert. Seitdem unterstützt sie nicht nur ihre Patienten und Klienten bei der Umstellung ihrer Essgewohnheiten, sondern veröffentlichte bislang auch unzählige Blogs, Rezepte und Bücher rund um das Thema der Low-Carb-Ernährung.
Man hat den Eindruck, als wäre der Ernährungstrend „zuckerfrei zu leben“ zu einer Art Lifestyle geworden; Selbstversuche, auf Zucker komplett zu verzichten, gelten als modern. Was sagen Sie als Ernährungsexpertin zu dem Hype?
Die ganzen Diskussionen rund um den Zucker gehen mir irgendwo am Ziel vorbei. Einerseits wird zwar das Bewusstsein im Umgang mit Zucker geschärft – aber gleichzeitig wird den Leuten empfohlen, vermehrt Vollkorn-, Schwarzbrot, Kartoffeln, Nudeln und Reis zu essen. Und das obwohl die Fachleute wissen, dass Kohlenhydrate zu Zucker und Glukose abgebaut werden. Das finde ich einfach nur gemein den Patienten und Klienten gegenüber, die sich bemühen, Zucker wegzulassen – aufgrund der Empfehlung, beispielsweise Nudeln essen, die genauso dick machen und schädlich sein können wie Zucker. Es ist wichtig, auch auf die Stärke achten, weil die zu Zucker abgebaut wird. Aber die Leute erfahren das nicht – und das ärgert mich wirklich.
In Folge wäre dann aber doch auch die klassische Ernährungspyramide, die Empfehlung der DGE (Dachgesellschaft für Ernährung), wonach mehr als die Hälfe unserer täglichen Energiezufuhr durch Kohlenhydrate erfolgen sollte, zu hinterfragen – oder?
Ja – und ich gehe da noch einen Schritt weiter und behaupte, die Leute werden hier vorsätzlich in die Irre geführt. Ich finde es höchst bedenklich, wenn Fachleute definitiv falsche Informationen punkto Kohlenhydrate weiterverbreiten. Es wird sich kein Arzt finden, der sagt, Rauchen ist gesund – aber Kohlenhydrate sollen wir essen. Und Zucker müssen wir weglassen. Das ist paradox.
Was bewirken Kohlenhydrate im Körper?
Übergewicht, metabolisches Syndrom, Diabetes usw. sind die Folge, wenn man auf Dauer dem Bewegungsspektrum falsch angepasste Kohlenhydrat-Mengen isst. Man kann Kohlenhydrate im Körper nicht speichern; sie sind ein schneller Energielieferant – das bedeutet, sie wirken „jetzt“ als Energiequelle – das Zeitfenster ist sehr kurz und beträgt nur rund eine Stunde. Werden sie in dieser Zeit nicht verbraucht, weil ich beispielsweise eine Computerarbeit oder eine sitzende Tätigkeit habe, dann werden sie nicht gespeichert, sondern sofort zu Triglyceride umgewandelt und in Fettzellen eingespeichert. Fett kann man in alle Himmelsrichtungen speichern – was man sieht, wenn man sich auf der Straße umschaut. Kohlenhydrate per se sind nicht schlecht. Bei dem wenigen Bewegungsspektrum heutzutage den Leuten jedoch zu sagen, esst 60 Prozent Kohlenhydrate, wie es die DGE empfiehlt, dann ist das fast schon vorsätzliche Körperverletzung.
Kinder lieben Nudeln und Kartoffelprodukte. Wie verhält sich das mit den Kohlenhydraten bei Kindern?
Wenn Kinder draußen herumrennen, sich bewegen und dann ihren Teller Nudeln essen: ja mein Gott, dann ist das gut – obgleich Kinder intuitiv von vornherein eher auf Fett und Eiweiß aus sind. Man braucht ja nur am Würstlstand zu schauen: Kinder essen ihre Würstel und werden von den Erwachsenen dazu gedrängt, ein Brot oder eine Semmel dazu zu essen – von selber würden sie nicht draufkommen. Wenn Kinder also mal Kohlenhydrate essen, dann ist das nicht dramatisch, obgleich es nicht gesund ist. Allerdings: wenn ein Kind, das einen Acht-Stunden-Schultag hinter sich hat oder sich wenig bewegt, regelmäßig einen riesen Teller Nudeln isst und dann vielleicht auch noch einen Kuchen verdrückt – dann wird es nicht ausbleiben, dass das Kind dick wird. Und es ist wirklich erschreckend, wie viele übergewichtige Kinder es schon im Kindergartenalter gibt – das ist nicht normal.
Sie haben sich in Ihrer Arbeit als Diätologin in einer onkologischen Ordination intensiv mit Krebs-Patienten und der Low-Carb-Ernährung auseinandergesetzt – welche Rolle spielt Zucker in diesem Zusammenhang?
Zucker nährt die „bösen“ Zellen des Körpers – das ist schon seit 100 Jahren bekannt. Es beruht auf den Forschungsergebnissen vom bekannten deutschen Biochemiker und Nobelpreisträger Otto Warburg, der den Stoffwechsel der Krebszelle genau untersucht und festgestellt hat, dass jede gesunde Zelle einen Insulinrezeptor hat und ein Zuckermolekül einschleusen kann. Krebszellen hingegen haben 30 Rezeptoren und einen 30 mal höheren Glukosebedarf als eine gesunde Zelle. Diagnostisch nützt man diesen Effekt bei der sogenannten PET-Untersuchung(Positronenemissionstomographie): Patienten bekommen eine Glukoselösung mit einem Radioaktivmarker, und die 30 Glukoserezeptoren der Krebszellen reißen den Schnabel auf. Man kann bildhaft darstellen, wo sich Krebszellen und Metastasen befinden. Man nutzt hier also ganz gezielt den Glukosehunger der Krebszellen aus. Und obwohl man das alles weiß, sagt man dem Patienten nicht, iss weniger Kohlenhydrate (die sich in Zucker abbauen), sondern im Gegenteil: man empfiehlt Kohlenhydrate als Energiequelle. Krebszellen können sich in saurem Milieu ganz besonders gut vermehren und sich vergrößern. Eine normale Zelle verbrennt Glukose, eine Krebszelle vergärt Glukose zu Laktat – eine Säure. Das ist der unterschiedliche Stoffwechsel der Zellen. Nicht jede Krebszelle tickt so – aber immerhin 80 bis 90 Prozent. Also es schadet auf keinen Fall, die Glukose bzw. die Kohlenhydrate zu reduzieren!
Text: Gerlinde Tscheplak

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