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Kindern eine Chance geben
Wer in seiner Kindheit keine Liebe und Geborgenheit erfahren hat, wird sich später schwer tun, seinen Kindern solche Gefühle zu vermitteln. Für diese Fälle wurde das Programm SAFE entwickelt, das vom Schicksal Benachteiligten die Chance bietet, glückliche Eltern glücklicher Kinder zu werden.
„Das Wichtigste ist Bindung“, sagt die Familienmentorin Maria Jordan, die gemeinsam mit ihrer Kollegin und Psychotherapeutin Gudrun Drussnitzer die SAFE-Elternkurse leitet. SAFE wurde vom deutschen Arzt Karl Heinz Brisch entwickelt und wird in Deutschland seit 2006 flächendeckend angeboten. In Österreich gebe es entsprechende Kurse bisher in Wien und Graz und seit Anfang 2015 auch in Kärnten, erzählt Jordan. Hier werden sie von der Landesregierung und der Organisation Rettet das Kind finanziert.
Das Angebot richtet sich an sozial schwache und mehrfach belastete Eltern, die mit ihrer neuen Rolle völlig überfordert sind, denen ein Kind bereits entzogen wurde oder denen die Entziehung droht. Das Präventivprogramm hat auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen. So werden große Belastungen für das Gesundheits- und Sozialsystem frühzeitig abgefangen. „Feinfühligkeit kann man lernen, auch wenn man sie selbst nicht erlebt hat. Es bedarf nur einiger Übung“, sagt Jordan. In den Kursen geschieht das in Form von Feinfühligkeitstrainings mit Videos.
Das Programm setzt bereits in der Schwangerschaft an. „Denn der Bindungsaufbau zum Kind beginnt schon vor der Geburt“, erklärt sie.
Sechs Mütter und Väter mit ihren Kindern sind es, die in Villach die Kurse besuchen. Im Juli wurde auch ein Kurs in Klagenfurt gestartet: acht Elternpaare mit neun Kindern nehmen daran teil. Die Kurse werden als ganztägiges Seminar an einem Sonntag pro Monat abgehalten. Dabei wird das Leben einer Großfamilie simuliert, die gemeinsam Probleme bewältigt und füreinander da ist, wenigstens einen Tag im Monat. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können auf diese Weise zu den Mentorinnen auch ein Vertrauensverhältnis aufbauen, das die Voraussetzung für die Individual-Beratungen ist, die ebenfalls Teil des SAFE-Programmes sind.
Ein besseres Leben
Dort lernen die Mütter auch auf sich selbst zu schauen, sich und ihre Bedürfnisse wichtig zu nehmen. Dazu zählen unter anderem die Stärkung des Selbstwertgefühls und Entspannungsübungen. „Wenn’s der Mutter gut geht, geht’s auch dem Kind gut“, lautet die Devise. Die jüngste Teilnehmerin ist 17 Jahre alt. Michelle war noch nicht ganz 16, als sie schwanger wurde. Eine Abtreibung kam für sie nicht infrage, obwohl viele in ihrem Umfeld sie dazu überreden wollten. Vom Jugendamt erfuhr sie von der Möglichkeit der SAFE-Kurse und ergriff die sich ihr gebotene Chance. Sie wollte ihrem Kind ein besseres Leben bieten als sie es hatte. Denn Michelle war nicht auf die Butterseite gefallen. Sieben Jahre verbrachte sie im Heim. „Ich hab viel Scheiße gebaut, bin straffällig geworden“, erzählt sie. Aber auch jetzt wird es ihr nicht leicht gemacht. Als minderjährige Mutter lebt sie im „Betreuten Wohnen“ und steht damit unter ständiger Beobachtung des Jugendamts. Ohne dessen Zustimmung darf sie nichts machen, nirgends hinfahren, keinen Babysitter engagieren, der nicht von den Sozialarbeiterinnen geprüft und genehmigt wurde. Ihre Vergangenheit verfolge sie und werde ihr immer wieder vorgeworfen, sagt sie. Aber sie lässt sich nicht unterkriegen. Auch unter diesen Bedingungen möchte sie eine Ausbildung absolvieren und eine Existenz für sich und das Kind aufbauen. Ihr Kampf mit Unterstützung der SAFE-Mentorinnen hat sich bereits gelohnt. Sie ist selbstsicherer geworden, hat eine nette kleine Wohnung gefunden. Tochter Sophia ist ein fröhliches, aufgewecktes Kind, das während unseres Gespräches lachend durchs Zimmer rennt und sich zwischendurch immer wieder an seine Mutter schmiegt. Als nächsten Schritt plant Michelle einen AMS-Kurs und eine anschließende Lehre. Eigentlich wäre sie gern Konditorin geworden, doch die Arbeitszeiten und die niedrige Lehrlingsentschädigung sind mit ihrem Leben als alleinerziehende Mutter nicht vereinbar. Daher hat sie sich für eine Lehre als Verkäuferin entschieden und würde sehr gern in einem Geschäft für Tierbedarf arbeiten, denn bei Tieren kennt sie sich gut aus. „Wie das alles gehen soll, weiß ich noch nicht“, meint sie. Die 14 Monate alte Tochter geht seit wenigen Wochen zwar in eine Krabbelstube, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch nur sehr schwer zu erreichen ist. Daher spart sie jeden Cent, der nicht für die notwendigen Dinge des Lebens benötigt wird, um den Führerschein zu machen. In wenigen Wochen wird sie ihren 18. Geburtstag feiern.
Erfahrungen austauschen
Das SAFE-Programm umfasst im Normalfall zehn Module – vier davon in der Schwangerschaft. Für die Villacher Gruppe wurden fünf weitere genehmigt. Michelle weiß nicht, ob sie es ohne Unterstützung schaffen kann und hofft, dass es noch einmal eine Verlängerung gibt. Alles, was sie in den Kursen gelernt und erfahren hat, kann sie Tag für Tag umsetzen. Wie man liebevoll „Nein“ sagt und dem Kind Grenzen setzt. Wie man sein Kind tröstet, wenn es sich wehgetan hat. Wie man mit seiner Überforderung und Wut umgeht, wenn das Kind nicht aufhören will zu schreien. „Emotionen gehören dazu. Jeder Mensch hat Wut, das ist normal. Man kann lernen damit umzugehen. Das ist für Menschen, die Gewalt und Lieblosigkeit erlebt haben, besonders wichtig“, meint Jordan. Die Kursteilnehmerinnen tauschen sich auch untereinander im Rahmen einer WhatsApp-Gruppe aus, geben einander Tipps. Für Situationen, mit denen sie allein nicht zurechtkommen, haben die beiden Mentorinnen eine Hotline eingerichtet und stehen ihren Schützlingen bei. „Wenn Sophia krank ist, rufe ich Maria an“, sagt Michelle. Allein schon das Wissen, jederzeit Rat und Hilfe zu bekommen, gibt Sicherheit. Die Mentorin ist stolz auf ihre Schützlinge, die in den vergangenen Monaten an sich gearbeitet und viel erreicht haben. „Alle haben ihre Kinder behalten“, freut sie sich. Das sei bei schwierigen Familienverhältnissen keine Selbstverständlichkeit. SAFE ist mit den wesentlichen Institutionen vernetzt: mit den Jugendämtern, den Krankenhäusern Klagenfurt und Villach oder den Psychiatrischen Abteilungen.
„Wir möchten, dass alle Eltern und damit auch die Kinder eine Chance bekommen“, erklärt Jordan. Gibt es mindestens fünf Interessenten, will sie wieder um die entsprechende Förderung beim Land ansuchen und in einem weiteren SAFE-Kurs jungen Menschen eine Zukunft geben.
Für nähere Informationen ist Maria Jordan unter der Telefonnummer 0664 4780590 gerne für Sie da.
safe-projektrdkk@gmx.at
Text: Monika Unegg
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